Fotobericht

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Stille Helden

Was Freiwillige Feuerwehren im Hintergrund leisten

Einfahrtstor der Freiwilligen Feuerwehr Bremen-Neustadt
Jede Freiwillige Feuerwehr hat, ebenso wie die Berufsfeuerwehren, ihr eigenes Gerätehaus. Diese sind meist schon von weitem erkennbar.

Man erkennt sie an ihren roten Autos, an ihren Sirenen und auch an ihrem Blaulicht. Feuerwehren sind in jeder Stadt eines jeden Landes ein unverzichtbarer Teil der Gesellschaft. Sie laufen dort hinein, wo alle anderen hinausrennen und man dürfte meinen, dass Menschen die sich solchen Gefahren aussetzen entsprechend bezahlt werden. Eine weniger bekannte Tatsache ist, dass der Großteil der Feuerwehrfrauen und -Männer ehrenamtliche Mitglieder einer Freiwilligen Feuerwehr sind und dies nur als Nebentätigkeit zu ihrem Hauptberuf ausüben. Wie es sich anfühlt auf der anderen Seite der Absperrung zu stehen, wie genau diese Doppelbelastung im Alltag gelebt wird und das auch noch freiwillig, wird im Gespräch mit Mitgliedern  der Freiwilligen Feuerwehr Bremen-Neustadt gut nachvollziehbar.

Nach dem Job ist vor dem Ehrenamt

Die insgesamt sechs Berufsfeuerwehren (BF), welche in Bremen Ihren Standort haben, werden von 19 Freiwilligen Feuerwehren (FF) mit über 600 ehrenamtlich Beschäftigten unterstützt. Zwölf von ihnen stehen unter einer sogenannten Tagesalarmierung. Diese Feuerwehren sind, im Gegensatz zum Schichtdienst der BF, 24 Stunden 365 Tage im Jahr in Bereitschaft. Das Besondere daran ist, dass alle Mitglieder einer FF diese Tätigkeit ehrenamtlich und somit ohne Lohn ausführen. Während die Berufsfeuerwehrleute nach Beendigung ihrer Schicht Feierabend haben, sind die Mitglieder einer Freiwilligen Feuerwehr jederzeit über Ihren Funkmeldeempfänger in Alarmbereitschaft. Diesen bekommt jedes Mitglied mit seinem Eintritt in eine Feuerwehr.

Funkmeldeempfänger, im Hintergrund unscharf Feuerwehrfahrzeuge
Diesen kleinen Funkmeldeempfänger tragen die Mitglieder rund um die Uhr bei sich.

Im Land Bremen gibt es zudem drei Schwerpunkt-Feuerwehren. Diese sind die FF Lehesterdeich, FF Blumenthal und die FF Neustadt. Sie werden so genannt, da sie mit über 40 Kameradinnen und Kameraden die personalstärksten Wehren sind. Zusätzlich führen sie neben dem normalen Tagesgeschäft auch noch jeweils mindestens zwei Sonderaufgaben. 

Zwei Feuerwehrmänner während des Löschvorgangs bei Nacht
Oft kommt es vor, dass die FF spät in der Nacht alarmiert wird.

Feuerwehr ist in der Neustadt zuhause – seit über 50 Jahren

Die Freiwillige Feuerwehr Bremen-Neustadt ist nicht nur personell am stärksten aufgestellt, sondern mit ihren zwölf Fahrzeugen, vier Anhängern, vier Abrollbehältern und einem Boot auch materiell die größte Freiwillige Feuerwehr Bremens. Ihre Sonderbereiche sind der Verpflegungszug (Sondereinheit für die Verpflegung bei Einsätzen) und der Schutz vor chemischen, biologischen und nuklearen Gefahren (kurz: CBRN-Gefahren). Gegründet wurde die FF Neustadt im Jahr 1962. In den Anfängen noch unter dem Namen FF Seesenthom, bestand die Feuerwehr ausschließlich aus Schornsteinfegern, was ihr inoffiziell schnell den Beinamen „Schwarzer Zug“ einbrachte. Einer dieser Schornsteinfeger ist Matthias Schulz. Er ist seit Jahren Wehrführer der FF Neustadt, sowie der Fachberater für den Bereich Verpflegung bei Großeinsätzen der Feuerwehr Bremen. Vor über 35 Jahren trat er der FF Neustadt als Schornsteinfegergeselle bei, heute ist er selbstständiger Schornsteinfegermeister. „Früher war es gesetzlich festgelegt, dass jeder Schornsteinfeger Mitglied einer Freiwilligen Feuerwehr sein muss und so bin ich zur FF Seesenthom gekommen“, erklärt Schulz. 1997 wurde die FF Seesenthom in die FF Bremen-Neustadt umbenannt, um die Verbundenheit der Feuerwehr zu Ihrem Stadtteil zu verdeutlichen. 

Frontansicht Gerätehaus, davor Schild mit der Aufschrift "Freiwillige Feuerwehr Bremen-Neustadt"
1976 zog die FF Seesenthom ihr neues Gerätehaus ein, 21 Jahre später kam dann die Umbenennung in die Freiwillige Feuerwehr Bremen-Neustadt.

Jährlich werden die Freiwilligen Feuerwehren in Bremen zu durchschnittlich 900 Einsätzen alarmiert, circa 150 davon fährt die FF Neustadt und trägt somit vergleichsweise den größten Anteil. Viele dieser Einsätze dauern mehrere Stunden an. Sollte es zu einem dieser längeren Einsätze kommen, wird zusätzlich auch immer die Versorgungsgruppe der Feuerwehr Bremen alarmiert, die sich aus Mitgliedern der FF Neustadt zusammensetzt. Diese sorgt für kalte und warme Getränke oder kochen an der Einsatzstelle gegebenenfalls sogar Essen für die Einsatzkräfte.

Viele solcher Einsätze bleiben dabei bis heute in Erinnerung. „Die Gasexplosion im Geschworenenweg 2000 werde ich nie vergessen“, erinnert sich Schulz, „Diesen Tag hatte ich mir extra frei genommen, weil ich den Tag davor Geburtstag hatte und morgens ging dann der Funkmeldeempfänger. Dieser Einsatz war eine Tragödie.“ An einen seiner ersten Einsätze erinnert er sich ebenfalls noch ganz genau, „1989 ist ein Feuer in einem Mehrfamilienhaus in der Bohnerstraße ausgebrochen. Ich war dort der ersteintreffende Zugführer. Wir wurden nachts alarmiert und am nächsten Morgen mussten wir acht tödlich verunglückte Personen bergen. Solche Einsätze belasten einen sehr“. 

Matthias Schulz mit einer Seite Schornsteinfeger- anderen Seite Feuerwehrkleidung
Bei bestimmten Einsatzlagen wird auch der Schornsteinfeger als Berater hinzugezogen.

Dass Ihre Tätigkeit nicht entlohnt wird, stört ihn aber nicht. „Wenn wir dafür Geld bekämen wäre es ja kein Ehrenamt mehr“, stellt er klar. Dennoch erfährt er aus vielen Richtungen Zuspruch für seine Tätigkeit. „Wenn man Leuten erzählt, dass man bei der Feuerwehr ist, bekommt man schon Anerkennung, auch von der Politik. Nur wenn es darum geht das Ehrenamt für die erforderliche Ausstattung, wie z.B. Fahrzeuge finanziell zu unterstützen, merkt man wo es bei der Politik aufhört mit der Anerkennung.“ 

Die FF Neustadt hebt sich vor allem durch ihre Personalstärke und die beiden Sonderaufgaben ab. Auf sie wird gerne von der Berufsfeuerwehr zurückgegriffen, erklärt auch Lars Nobel. Seit zwölf Jahren ist er Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr Neustadt. „Die BF weiß wenn die Neustadt kommt, kommt auch Qualität mit.“ 

Lars Nobel mit einer Seite Bundeswehr- anderer Seite Feuerwehrkleidung
Oft bietet der Job einem Vorteile im Ehrenamt.

Beruf und Ehrenamt im Einklang

Hauptberuflich arbeitet Nobel beim militärischen Brandschutz mit dem Dienstgrad Hauptfeldwebel und profitiert bei seiner ehrenamtlichen Tätigkeit von dem beruflichen Wissen und umgekehrt. Im Wesentlichen unterstützen Freiwillige Feuerwehren die Berufsfeuerwehren, es kann aber durchaus auch vorkommen, dass eine FF bei einem Einsatz ersteintreffend ist. Dass dann auch die Freiwilligen entsprechend ausgebildet sind, spielt dabei eine große Rolle. „Im Job geht man viel mehr in die Materie ein und das könnte ein freiwilliger Feuerwehrmann gar nicht leisten neben seinem Hauptberuf“, sagt Nobel. „Es gibt aber auch genügend Kameraden die selbst der BF was vor machen, man muss sein Fahrzeug und sein Material nur gut genug kennen.

Nobel setzt sich dafür ein, die qualitativ hochwertige Ausbildung seines Hauptberufes auch in die freiwillige Tätigkeit mit einfließen zu lassen. Beispielsweise nimmt er regelmäßig an den CBRN-Sonderdiensten teil, die neben den regulären Diensten, welche alle zwei Wochen stattfinden, angeboten werden.

CBRN-Schutzanzug im Einsatz mit radioaktivem Kanister
Bei Einsätzen mit Gefahrgut, wird speziell die ausgebildete CBRN-Sondereinheit alarmiert.

Der große Zeitaufwand dieses Ehrenamtes und den Umstand, dass Einsätze oft in unpassenden Situationen oder während der Arbeitszeit kommen können, sieht Nobel gelassen. „Wenn man das mit dem Arbeitgeber vernünftig bespricht, ist das kein Problem. Im Prinzip trägt jeder nur seinen Teil dazu bei zu helfen. Man darf das Verständnis aber auch nicht maßlos ausnutzen“, erklärt er. Diese Doppelbelastung aus Job und Ehrenamt nehmen sowohl Matthias Schulz und Lars Nobel als auch alle anderen Mitglieder einer Freiwilligen Feuerwehr  gerne in Kauf. „Es kann schon mal stressig werden. Das sind dann aber nur ein oder zwei Tage, danach kommt auch mal monatelang nichts“, erzählt Nobel. 

Feuerwehr Bremen Rückenemblem der Jacke
Die auffällige Kleidung trägt sowohl die Berufs- als auch die Freiwillige Feuerwehr.

Wenn mangelnde Aufklärung zur Gefahr wird

Diese Situation so gelassen zu sehen, ist bei den wachsenden Skandalen um Gewalt gegen Einsatzkräfte keine Selbstverständlichkeit mehr. Wie schon die polizeiliche Kriminalstatistik verzeichnet, wird der fehlende Respekt gegenüber Hilfsorganisationen immer größer. Eine entscheidende Rolle spielt dabei auch die Aufklärung, denn wenn diese fehlt, fehlt meist auch der Respekt. „Aufklärung ist auch immer eine Geldfrage“, stellt Nobel fest. Er sieht es auch als Aufgabe der Regierung, die Bürger über Ehrenämter und Hilfsorganisationen aufzuklären. So wäre das Verständnis vielleicht größer. „Dann würden die Leute auch mal sagen: hey der macht das ehrenamtlich und bekommt dafür kein Geld. Der stand eben vielleicht noch als      Tischler an der Kreissäge und  schneidet jetzt die eingeklemmte Person aus dem PKW

Feuerwehrmann sägt mit der Motorsäge Äste auf einem Auto
Unter anderem zählt auch die Technische Hilfeleistung zu den Aufgaben einer Feuerwehr.

Ein weiteres Resultat mangelnder Aufklärung sind die Probleme bei der Bildung von Rettungsgassen in Stausituationen. Ob bewusst oder nicht, viele Autofahrer stellt die Rettungsgasse vor eine Herausforderung, denn einige wissen zunächst nicht, was dabei zu beachten ist. Diese Schwierigkeiten erfahren sowohl die Berufs- als auch Freiwillige Feuerwehr. Anders als für die BF, stellt der Verkehr für die FF auch schon bei ihrer Anfahrt zum Gerätehaus ein Hindernis dar, denn sie müssen sich zuerst mit Ihren privaten PKWs einen Weg durch den Verkehr bahnen, bis sie sich an dem Gerätehaus umziehen und einsatzbereit machen können. Sobald sie dann in den Feuerwehrautos sitzen, ist anhand der Einsatzkleidung und den Fahrzeugen nicht direkt erkennbar, um was für eine Feuerwehr es sich handelt. Lediglich eine kleine Aufschrift in der Windschutzscheibe der Fahrzeuge lässt erkennen, zu welcher Feuerwehr sie gehören. „Wenn Menschen dann Freiwillige Feuerwehr sehen, denken sie direkt auch an das Klischee- bei denen würden alle nur Alkohol trinken. Im Bremen wollen wir uns ganz klar von diesem Ruf distanzieren“, betont Nobel. Laut einer Umfrage des Deutschen Beamtenbundes liegt der Feuerwehrmann in einem Ranking der angesehensten Berufe an der Spitze, dennoch bleiben Vorurteile nicht aus. 

Feuerwehrmann mit Atemschutzmaske und Axt in der Hand
Trotz neugieriger Blicke der Passanten immer konzentriert zu bleiben, ist nicht immer einfach.

Trotz alledem erfährt die FF Bremen-Neustadt in ihrer Wehr keinen Mangel an Nachwuchs. „Seitdem die Wehrpflicht weggefallen ist, gibt es in ländlicheren Gegenden immer mehr Nachwuchsprobleme in Hilfsorganisationen. In der Stadt sind wir zum Glück noch nicht so massiv betroffen“, erklärt Nobel. Aus diesem Grund gibt es in vielen Gemeinden mittlerweile eine Pflichtfeuerwehr. Wer dort in einem wehrpflichtfähigen Alter ist, wird von der Gemeinde kontaktiert und zum Feuerwehrdienst verpflichtet. „Dann hast du aber auch immer Leute dabei, die keinen Bock haben und diese zu motivieren ist dann noch schwerer. Wer begibt sich denn heute noch gerne freiwillig in Gefahr?“

Die FF Bremen-Neustadt blickt positiv in die Zukunft, betont aber wie wichtig es ist Menschen zu finden, die sich weiterhin ehrenamtlich engagieren. Denn wie alle Hilfsorganisationen sind auch sie abhängig von dem Engagement der Bürger. 

Fahrzeug mit "Feuerwehr" Schriftzug, im Hintergrund weitere Löschfahrzeuge
Eines der größten Markenzeichen der Feuerwehr sind ihre roten Fahrzeuge und das Blaulicht.

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